Selbstmitgefühl statt Selbstkritik
- 13. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
So lernst du Freundschaft mit dir selbst
Ich war viele Jahre meine strengste Kritikerin. Wenn etwas nicht so lief, wie ich es mir vorgestellt hatte, habe ich mich innerlich zurechtgewiesen – still, aber gnadenlos.
Doch irgendwann habe ich bemerkt: Ich war erschöpft davon, mich ständig selbst in Frage zu stellen. Egal, was ich erreicht hatte –es fühlte sich nie genug an. Diese innere Stimme, die alles kommentierte, die jeden Fehler unter die Lupe nahm, war so laut geworden, dass ich die leise, gütige Stimme in mir kaum noch hörte.
Und dann kam dieser Moment, in dem ich mich gefragt habe: Warum gehe ich eigentlich so mit mir um, wie ich es bei keinem anderen Menschen tun würde?
Der Unterschied zwischen Selbstkritik und Selbstmitgefühl
Selbstkritik verengt. Sie schiebt uns in eine Ecke. Sie will kontrollieren, verbessern, verhindern. Selbstmitgefühl dagegen öffnet. Es ist wie ein weiches Licht, das sagt: „Ich sehe dich. Auch so, wie du gerade bist.“
Selbstmitgefühl ist kein Freifahrtschein, sondern eine Rückkehr zur Menschlichkeit. Es bedeutet nicht, sich aus der Verantwortung zu nehmen –es bedeutet, sich mit Verständnis zu begegnen, statt mit Verurteilung. Wenn du fällst, fragt Selbstkritik: „Wie konntest du nur?“ Selbstmitgefühl sagt: „Das war schwer. Aber du darfst es neu versuchen.“
Ich musste erst lernen, dass ich mich nicht verurteilen muss, um zu wachsen.
Wie Selbstkritik uns formt – und begrenzt
Viele von uns haben gelernt, Liebe mit Leistung zu verknüpfen. Anerkennung kam, wenn wir etwas „gut“ gemacht haben. Wert wurde sichtbar durch Erfolg, nicht durch Sein.
Diese alten Muster begleiten uns leise ins Erwachsenen-Leben. Und plötzlich sind wir streng mit uns, weil wir glauben, wir müssten immer „mehr“ sein. Mehr leisten. Mehr schaffen. Mehr genügen.
Doch Selbstkritik hält uns in einer ständigen Anspannung. Sie lässt uns glauben, wir müssten uns selbst beweisen – anstatt uns selbst zu vertrauen.

Der Weg zum Selbstmitgefühl
Selbstmitgefühl kam nicht über Nacht. Es war kein Aha-Moment, sondern ein leises Wiederfinden. Ich begann, mich in Momenten der Überforderung zu fragen: „Was brauche ich gerade?“ Nicht: „Was stimmt nicht mit mir?“
Diese eine Frage verändert alles. Sie öffnet einen Raum zwischen Reiz und Reaktion, zwischen Fehler und Urteil, zwischen Menschsein und Selbstverurteilung.
Ich begann, diese kleinen Gesten zu üben:
Innehalten, bevor ich mich kritisiere.
Atmen, bevor ich analysiere.
Mit mir reden, wie ich mit einem Kind reden würde.
Wenn ich etwas nicht geschafft habe, sage ich mir heute: „Es war ein Versuch. Und auch das ist Mut.“
Freundschaft mit mir selbst
Selbstmitgefühl ist für mich wie eine leise Form von Freundschaft. Eine, die bleibt – auch dann, wenn es schwer wird.
Ich lerne, mich zu halten, nicht nur, wenn ich stolz bin, sondern auch, wenn ich enttäuscht bin. Ich lerne, auf meiner eigenen Seite zu stehen, auch wenn etwas schiefgeht.
Ich habe erkannt: Ich kann mir selbst Zuflucht sein. Ich kann mich trösten, beruhigen, stärken.
Das war lange Zeit undenkbar für mich. Aber heute weiß ich, dass in dieser Selbstfreundschaft eine Kraft liegt, die leiser, aber nachhaltiger ist als jede Strenge.
Die leise Heilung
Selbstmitgefühl ist für mich heute eine tägliche Übung – kein Zustand, sondern eine Haltung. Es bedeutet, mir Fehler zu erlauben, mich nicht zu eilen, und auch in schwierigen Momenten mit mir im Kontakt zu bleiben.
Wenn ich merke, dass ich wieder zu hart mit mir werde, halte ich kurz inne. Ich atme. Ich erinnere mich daran, dass ich jeden Tag neu beginnen darf –freundlicher, geduldiger, weicher. Ich glaube, darin liegt Heilung: nicht in Perfektsein, sondern im Menschsein.
Selbstmitgefühl verändert nicht, wer du bist –es verändert, wie du mit dir bist. Und das macht alles andere leichter.
Zurück zu dir
Freundschaft mit dir selbst beginnt da,wo du aufhörst, dich ständig zu bewerten.
Wenn du lernst, dich zu sehen,nicht als Projekt,sondern als Mensch –dann entsteht Frieden.
Vielleicht ist das die wichtigste Beziehung überhaupt:die zu dir selbst.
Denn erst, wenn du dich annimmst,kannst du wirklich wachsen.Und erst, wenn du freundlich mit dir bist,wird das Leben wieder weich.





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