Goodbye, Frosch!
- vor 5 Tagen
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Was mein kleiner Frosch mir über Wertschätzung, Respekt und das Loslassen von Urteilen beigebracht hat

16 Jahre ist es nun her, dass ich voller Stolz mein erstes „richtiges“ Auto kaufte. Als alleinerziehende Mutter war das Budget immer knapp, und 500-Euro-Rostlauben waren über viele Jahre das Maximum, was ich mir leisten konnte. Doch da stand er nun – in einer knallig grell leuchtenden Farbe – mein lemon-squeeze-grüner Ford Fiesta.
Schon bei den ersten Begegnungen mit anderen Menschen fielen die ersten Kommentare:
„Der passt zu dir!“
„Also für mich wäre die Farbe ja nichts, aber zu dir passt sie.“
Damals empfand ich das noch als schmeichelnd. Ich fühlte mich verstanden, vielleicht sogar ein bisschen besonders. Wie man es so macht, ließ ich mir meine Initialen und mein Geburtsdatum auf das Kennzeichen prägen – kleine Details, die für mich viel Bedeutung hatten. Schnell bekam der kleine Wagen in meinem Freundeskreis den Spitznamen „Frosch“. Wendiger kleiner Frosch – passend, wie ich fand.
Die Zeit vergeht
Die Jahre vergingen, und ich fuhr den Frosch voller Stolz. Er brachte mich zu Orten, die mir wichtig waren, war Zeuge von kleinen Fluchten und großen Momenten, von Sorgen und Lachen, von Abschieden und Neuanfängen. Doch so wie ich wuchs, wuchs auch die Zeit an ihm nicht spurlos vorbei. Rost und Verschleiß machten sich breit. Aus meinem kleinen Frosch wurde ein Froschkönig – charmant, aber gezeichnet von den Jahren.
Immer öfter hörte ich Kommentare, die mich gleichzeitig zum Schmunzeln und Nachdenken brachten:
„Willst du dich nicht mal von deiner Schrottkarre trennen?“
„Das Auto ist doch nicht standesgemäß für dich.“
„Geht es dir finanziell nicht so gut, dass du immernoch das alte Ding fährst?“
Ich lächelte, manchmal auch innerlich wütend. Denn ich sah mehr als nur Rost und Macken – ich sah Erinnerungen, Mut, Kämpfe und kleine Siege, die in all diesen Jahren in meinem Auto gespeichert waren. Emotional hing ich daran, an jedem Kratzer, jeder Delle, an jeder Fahrt, die mir ein Stück Freiheit schenkte. Ich fuhr weiter, bis zum letzten Tag des TÜVs, bis zum letzten Moment, bevor ein neues Kapitel begann.
Faszinierend was dann passierte. Mein neuer Ford Fiesta hat nun ein dezentes dunkelblau und das Kennzeichen habe ich von Vorbesitzer übernommen. Also ich mit meinem "neuen" Wagen die ersten Mal unterwegs war hörte ich nun Sätze wie: "Jetzt erkenne ich dich ja gar nicht mehr ohne das grün. Und dein Kennzeichen stimmt auch nicht mehr.".
Im Laufe der Jahre wurde ich alle auf die unterschiedlichsten Weisen über dieses Auto definiert
Goodbye, Frosch!
Dann kam der neue Fiesta. Dezentes Dunkelblau, das Kennzeichen vom Vorbesitzer übernommen, keine auffälligen Initialen, keine knallige Farbe. Ein pragmatischer Schritt, dachte ich – ein Symbol für den neuen Abschnitt in meinem Leben.
Doch kaum war ich das erste Mal unterwegs, hörte ich Kommentare wie:
„Jetzt erkenne ich dich ja gar nicht mehr ohne das Grün.“
„Und dein Kennzeichen stimmt auch nicht mehr!“
Es war faszinierend zu beobachten, wie schnell sich doch die Wahrnehmung veränderte – und wie sehr die Menschen in meinem Umfeld mich über dieses Auto im Laufe der Jahre auf unterschiedlichste Art und Weisen definierten. Über die Farbe, über das Kennzeichen, über das Alter des Wagens. Ein kleines, simples Objekt, das eigentlich nur ein Fortbewegungsmittel war, wurde zu einem Spiegel dessen, wie andere mich sahen.
Was mein Auto mich lehrte
Mein grüner Frosch hat mir über all die Jahre eines sehr deutlich gezeigt: Es sind nicht die äußeren Merkmale, die den Wert eines Menschen oder eines Moments bestimmen.
Menschen haben ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Kämpfe, Freuden, Hoffnungen und Ängste – und all das ist oft unsichtbar. Wir sehen nur die Oberfläche, die Farbe, die Form, die Hülle.
Die Erfahrung mit meinem Auto hat mir bewusst gemacht, wie schnell wir dazu neigen, zu urteilen – über Dinge, über Menschen, über Lebensumstände. Wie leicht wir auf den ersten Blick Bewertungen abgeben, ohne die ganze Geschichte zu kennen. Doch genau das ist es, was uns oft den Blick für das Wesentliche verstellt.
Ich habe gelernt, dass wahre Wertschätzung und echtes Verständnis nicht davon abhängen, wie etwas aussieht oder wie andere es sehen. Es geht darum, das Unsichtbare zu erkennen, die Tiefe wahrzunehmen und Menschen – wie auch Dinge – nicht nach ihrer Oberfläche zu bewerten. Mein Auto mag sich verändert haben, meine Umgebung mag ihre Meinung haben – aber die Essenz bleibt, und die lässt sich nicht mit Äußerlichkeiten messen.
Vielleicht ist das die wichtigste Lektion meines kleinen Frosches:
Mit der Haltung, nicht zu urteilen und andere nicht an der Oberfläche zu messen, öffnet sich ein Raum für echtes Verständnis, Respekt und Menschlichkeit – für sie und für mich selbst.
Goodbye, mein kleiner Frosch - danke für dein Sein.





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